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Frauenfeindlichkeit im Internet – von Incels, MGTOW und NoFap

Jacob Johannsen

Im Rahmen der Kölner Mediengespräche gab der Kommunikationswissenschaftler und Soziologe Jacob Johanssen einen aktuellen Einblick in frauenfeindliche Online-Communitys, die er für sein Buch Die Mannosphäre näher untersucht hat. In einem daran anschließenden Ausblick schilderte er außerdem, wie deren Themen auch in breiteren öffentlichen Diskursen verfangen, aufgegriffen werden und so an Bedeutung gewinnen.

Johanssen beruft sich auf psychoanalytische Theorien von Klaus Theweleit, Wilhelm Reich und Elisabeth Young-Bruehl, die sich in ihren Schriften u.a. mit der Erforschung von Männlichkeitskonzepten beschäftigten. Insbesondere die Studien von Theweleit, der sich umfangreich der Untersuchung von Freikorps und Männerbünden in der Zeit der Weimarer Republik widmete, konnte Johanssen produktiv nutzen, um die Identitätskonstruktionen gegenwärtiger maskulinistischer Strömungen zu untersuchen.

Über die Plattformen in die Öffentlichkeit

Ein Anlass für die Auseinandersetzung mit der Thematik war für Johanssen das Erstarken der Alt-Right-Bewegung unter der Präsidentschaft Donald Trumps. Diese ging mit einer Veränderung in der digitalen Kommunikation des Internets einher. Es entstand eine symbolische Bildsprache, die sich in Memes und GIFs artikulierte und von Vertretern der Alt-Right zu einem regelrechten Kulturkampf stilisiert wurde. Ausgehend von Plattformen wie 4chan und Reddit verbreiteten sich diese visuellen Sprach- und Denkfiguren so langsam auf größeren Plattformen wie X, Facebook und Instagram.

Online-Communitys zwischen Versagensängsten und Machtfantasien

Im weiteren Vortrag illustrierte Johanssen einige der von ihm untersuchten Communitys, die mit dieser Entwicklung an Bedeutung gewannen. Für ihn spielen vor allem drei Online-Subkulturen eine wichtige Rolle: Incels („Involuntary Celibate“), also unfreiwillig sexuell enthaltsam lebende Männer, die sich in Foren und auf Plattformen organisieren, sind von Misogynie und Selbstmitleid geprägt und befürworten teilweise die Anwendung von Gewalt gegen Frauen. Die MGTOW-Bewegung („Men Going Their Own Way“), die jeglichen Kontakt mit Frauen, eine Bindung oder Beziehung ablehnen, da diese ihrer Auffassung nach eine Verweiblichung und Verweichlichung der Gesellschaft zur Folge hätten. Eine Sonderstellung in Johanssens Analyse nimmt das Online-Forum „NoFap“ ein, da es sich hierbei nicht um eine rein männliche Bewegung handelt. Vielmehr umfasst sie Menschen, die dem Konsum von Pornografie und Masturbation entsagen wollen. Hierdurch soll angeblich eine Anhebung des Testosteronspiegels im Blut erreicht und eine Schwächung der Männlichkeit vermieden werden.

Begehren, Fantasie und fragile Männlichkeit

All diesen Communitys liegt nach Johanssen ein in sich gespaltenes Begehren zugrunde, das einerseits auf der Ablehnung und anderseits auf der Kontrolle der Frau beruht. Der Fantasie kommt hier eine besondere Rolle als eine Form des Begehrens nach Wunscherfüllung zu, das nicht eingelöst wird, sondern sich in einer endlosen Diskussion ergeht. All diese Communitys sind geprägt durch eine fortwährende Thematisierung von Weiblichkeit, Frauen und der damit unweigerlich verbundenen Frage nach der eigenen Identität, dem eigenen Begehren und Begehrtwerden. Dies ist für Johanssen auch ein Schlüssel im Umgang mit diesen oftmals hassgetriebenen Online-Subkulturen: Die fundamentale Verunsicherung der eigenen Männlichkeit sollte ernst genommen werden, um der gegenwärtigen Ausbreitung von Frauenfeindlichkeit in und außerhalb des Internets begegnen zu können.